Donnerstag, 1. August 2013

Serie "Der große Kampf ums kleine Recht" - Folge 2: Der Sich-in-die-Einfahrt-Quetscher

Das der Deutsch-Mensch bei seinem unermüdlichen Kampf um sein "kleines gutes Recht" vor allem dann zu einer echten Kampfmaschine mutiert, wenn er in seinem fahrbaren Untersatz hockt, lässt sich an einem weiteren Beispiel aus dem täglich wahren Leben sehr schön erkennen.
Hier am Ort befindet sich mittendrin die Zweigstelle eines bekannten Billig-Einkaufsmarktes samt Kundenparkplatz. Die Parkplatzeinfahrt fungiert dabei gleichzeitig als Ausfahrt, ist allerdings für diese Doppelfunktion ein bisschen schmal geraten. Zwei durchschnittlich breite Mittelklasse-Pkw kommen bei schneefreier Witterung zwar knapp, aber immerhin noch halbwegs unproblematisch aneinander vorbei. Im Winter hingegen ist das mit der Unproblematik jedoch so eine Problematik für sich. Ebenso in der hiesig eher seltenen winterlosen Zeit, wenn zwei Exemplare ein wenig breiter geratene Fahrzeuge zeitgleich ein- und ausfahren möchten. In beiden Fällen wird dem interessierten Beobachter dann oftmals ein faszinierendes Schauspiel geboten. Der Einfahrer möchte - nein, er will und er muss - ja von einer vorfahrtberechtigten Straße her einfahren und somit muss er als rechtstreuer Bürger nun mal sein "gutes Recht" auch hier unnachgiebig durchsetzen.

Der Einfahrer sieht zwar durchaus, dass es eine verdammt enge Kiste werden wird, wenn er sich an dem ausfahrwilligen Fahrzeug vorbeiquetschen will. Aber weil er nun mal das Recht der alleinigen Vorfahrt genießt beginnt er nun erst recht, seinen Rechtsanspruch konsequent durchzuquetschen. Die Masse der Ausfahrwilligen setzt ja in der Regel unaufgefordert ein Stück zurück, um dem einfahrenden Rechtsinhaber die Zufahrt in die Weite des Parkplatzes zu ermöglichen - so es denn möglich ist. Haben sich nämlich hinter dem Ausfahrer bereits ein oder noch mehr Mitausfahrer versammelt, erweist sich das Zurücksetzen als recht schwierig bis gar nicht möglich. Manche Hinterleute können oder wollen halt nicht zurückweichen.
Das stört den rechtsbewussten Einfahrer jedoch herzlich wenig und so versucht er unverdrossen, sich an dem vorderen Ausfahrer irgendwie vorbeizuquetschen. Den Blick in schnellen Wechseln fest auf die eigene sowie die seitliche Karosserie des Kontrahenten gerichtet, geht es nun zentimeterweise voran und wenn´s noch nicht passen sollte wieder zurück, voran, zurück, usw., um auch noch den allerletzten Millimeter Freiraum zwischen den beiden Gefährten herauszuholen. Die Augen sind dabei weit aufgerissen und in die Stirne kräftige Falten gezogen. Bei manchen treten die Augen auch fast schon aus den Höhlen, sodass das in etwa wie bei Heino aussieht, nur mit ohne schwarze Barbara...äääh, Brille.

Während dieses Manövers ist es äußerst empfehlenswert, den gesamten Gesichtsbereich des derart Manövrierenden im beobachtenden Auge zu haben. Jener ist dabei nämlich heftig am grimassieren. Da werden die Backen mit Luft aufgepumpt, die Oberlippe weit über die untere geschoben oder beide Lippen breit über die vorderen Zähne samt angehängtem Zahnfleisch gefletscht. Einige wechseln auch munter zwischen diesen drei Varianten hin und her.
Bei den Lenkradkurbeleien, die mit solch einer Aktion zwangsläufig verbunden sind, ist auch häufig ein Kopfschütteln des Ausführenden zu erkennen. Und zudem kann man sehr oft klar sehen, dass der grimassierende Kurbler zwischendurch gern ein intensives Selbstgespräch führt, also auch noch am rumpupen ist.
Ein besonderes zusätzliches Schmankerl ist übrigens, wenn der Einfahrer als Chauffeur eines Wohnmobils oder Transporters im Einsatz ist. Da ist inhaltlich noch mal ein gewisser Extra-Thrill für den Beobachter gegeben.

Wenn das Chaos im Rückraum der Einfahrausfahrt irgendwann zu groß zu werden droht, dann geben die hinteren Mitausfahrer aber doch noch nach und setzen großzügigerweise ebenfalls zurück. Oder aber es geschieht ein wahres Wunder: Der Einfahrer sieht ein, dass es nichts wird, fährt zurück und tritt seinen Rechtsanspruch an den Ausfahrer ab! Ist zwar selten, aber auch schon vorgekommen.
Ich will ja nicht rumpupen, aber diese ganze zeit-, nerven- und kraftraubende Aktion könnte sich so ein rechtskämpferischer Einfahrer im Grunde genommen von vornherein ersparen. Ein kurzes, aber eindeutiges Handzeichen in Richtung Ausfahrer im Sinne von "Junge/Mädel, komm, fahr´ schnell raus", das würde bestimmt einiges vereinfachen. In maximal 3 bis 5 Sekunden wäre der Ausfahrer weg und der Einfahrwillige könnte bequem den Parkplatz befahren.  Tja, könnte...aber weil er hierbei auf sein "gutes Recht" verzichten müsste und sowas für ihn - zumindest zunächst - absolut nicht in Frage kommt, kurbelt und grimassiert er lieber minutenlang wild herum.

Sollte es einen "Orden wider der menschlichen Vernunft" geben - so ein Sich-in-die-Einfahrt-Quetscher wäre mit Sicherheit ein würdiger Ordensträgerkandidat...



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen