Mittwoch, 24. Juli 2013

Serie "Der große Kampf ums kleine Recht" - Folge 1: Der Rumhuper

Am hiesigen südlichen Ortsausgang - wenn man von Süden kommt ist es übrigens der Ortseingang - befindet sich eine stark befahrene Kreuzung. Vier Straßen treffen hier aufeinander, aus jeder Himmelsrichtung eine.
Die Verkehrsführung inklusive Vorfahrtsregelung ist für den Erstbesucher dieser Kreuzung allerdings erst mal etwas irritierend.
Der Orts- sowie Kreuzungsunkundige achtet beim Herannahen sowieso erst mal auf die großen gelben Schilder mit den schwarzen Buchstaben und Pfeilen, an denen er sich zwangsläufig orientieren muss, damit er weiß, in welche Richtung er abzubiegen hat, um an sein gewünschtes Ziel zu gelangen. Wenn er das gemeistert hat, dann ist er in der Regel an den vorfahrtregelnden Verkehrszeichen bereits vorbeigefahren, ohne selbige überhaupt wahrgenommen zu haben.
Aber selbst wenn der Erstkreuzungsbefahrer jetzt weiß, wo er lang muss, wird es für ihn nicht zwingend einfacher. Auf der Fahrbahn sind nämlich nur zwei weiße Pfeile aufgemalt: Einer für Rechts- und einer für Linksabbieger. Die Pfeilspitze für den Geradeausfahrer sucht man hier vergeblich. Sollte so ein aus südlicher Richtung eintreffendes Kreuzungsgreenhorn also geradeaus fahren wollen bzw. müssen, dann weiß er eben nicht, ob er sich auf der Spur mit dem Linkspfeil oder auf der mit dem Rechtspfeil einordnen muss (Achtung - ein großes Geheimnis wird gelüftet: Es ist die mit dem Linkspfeil!). Die Frage, ob man hier nun als Geradeausfahrer trotzdem links blinken muss, ohne dann links abzubiegen, kann ich aber auch nicht beantworten. Dieses Frage sorgt selbst bei noch so altgedienten Kreuzungsbefahrern immer wieder für große Verwirrung.

Der Kreuzungsneuling tastet sich im Allgemeinen verunsichert und langsam an diese Kreuzung heran. Hat er sich dann eingeordnet, dann tastet er aber noch weiter, nämlich sich mitsamt seines Fahrzeugs behutsam über den Kreuzungsbereich, um versehentliche Zusammenstöße mit anderen Fahrzeugführern nach Möglichkeit zu vermeiden.
Und nun endlich betritt der Titelheld dieser Folge die Szenerie -Tusch TätärätäääBumm: Dem hinter so einem Herantaster befindlichen kreuzungskundigen Verkehrsteilnehmer dauert das alles nämlich viel zu lange und so drückt er kräftig auf die Hupe seines Vehikels. Wie die meisten Deutsch-Menschen hat er ebenfalls nun mal sowieso nur ganz ganz wenig bis gar keine Zeit und von letzterem zu allem Überfluss auch noch viel zu viel.
Zum Hupen allerdings schon, denn im Schnitt lässt er seine Hand schon mal gern bis zu 5 Sekunden oder länger auf dem Huptonauslöser ruhen. Manche bevorzugen aber auch mehrere kurze Hupstöße hintereinander. Hierbei entlarvt er sich jetzt als Unterart des Rumpupers - eben als der Rumhuper! "Pupen durch hupen" lautet die schlichte Devise für so einen Zeitgenossen.
Während des hupens bedient sich der eine oder andere Rumhuper zusätzlich noch seines Mundwerks zwecks unterstützenden verbalen rumpupens. Davon ist in den allermeisten Fällen akustisch jedoch nichts wahrnehmbar, weil nur selten was davon durch die geschlossenen Fahrzeugscheiben nach außen dringt. Der Gesichtsausdruck samt der deutlich erkennbaren Lippenbewegungen des Rumhupers sprechen aber eindeutig für so ein gleichzeitiges hupen und pupen.

Hat ein jungfräulicher Kreuzungsbenutzer diese für Ortsunkundige gewöhnungsbedürftige Verkehrsführung plus Vorfahrtsregelung falsch interpretiert, so wird er prompt erneut erbarmungslos zusammengehupt. Auch wenn er die Kreuzung schon halb überquert haben sollte - der eigentlich Vorfahrtsberechtigte wird nun zum Aushilfs-Rambo und gibt jetzt erst recht kräftig Gas, selbstverfreilich untermalt von einem länger anhaltenden Hupton. Denn nur er befindet sich ja schließlich im Vorfahrtsrecht und genau das muss  nun mal konsequent behauptet werden: "Scheiß-Touris, die denken wohl, sie hätten die Vorfahrt gepachtet! Sowas wollen wir hier gar nicht erst einführen!".
Bei so einer Aktion kommen die beteiligten Fahrzeuge oftmals gerade mal so eben noch in Millimeterarbeit aneinander vorbei. Es ist sowieso fast ein Wunder, dass es dabei nur recht selten zu Berührungen oder gar "richtigen" Kollisionen kommt. Der letzte eigenäugig wahrgenommene Vorfall dieser Art ereignete sich jedenfalls vor ungefähr 10 Wochen.
Ich kann leider nicht genau sagen, wie oft am Tag solche Huptöne im näheren Umkreis besagter Kreuzung zu vernehmen sind. Mit den durch gelegentlich dann doch im allerletzten Augenblick getätigten Vollbremsungen ausgelösten Quietschgeräuschen wollen wir gar nicht erst anfangen. Wenig ist das alles aber auf keinen Fall. Die umliegenden Kreuzungsanwohner dürften aus Gewöhnungsgründen diese Klänge aber mittlerweile wohl schon gar nicht mehr wahrnehmen.
Wenn ich mal ausreichend Langeweile haben sollte, dann stelle ich mich vielleicht mal so von morgens 7 bis abends 20 Uhr dort hin und führe eine entsprechende Strichliste. Eine für diesen Zweck ausreichende Menge Papier sollte ich dann aber schon dabei haben.

Nun könnte man meinen, der kreuzungskundige Verkehrsteilnehmer würde anhand des auf die weiter entfernte Herkunft seines Vordermanns verweisenden Kennzeichens im Voraus erahnen können, dass jener möglicherweise seine Schwierigkeiten mit dieser Kreuzung haben könnte. Nix da - so weit mitdenken ist absolut nicht drin! Und mit dem Verständnis für die eigentlich verständliche Unsicherheit so eines Kreuzungsfremdlings ist es somit auch nicht allzu weit her. Dann lieber pupen durch hupen. Oder besser gleich hup-pupen.

Verlassen wir nun diese wundersame Kreuzung und begeben uns weiter stadteinwärts. Auch hier stoßen wir immer wieder auf den einen oder anderen passionierten Rumhuper.
Steht z.B. auf unserer Fahrbahnseite ein Kfz, z.B. ein ausladender Lieferant, und wir meinen, bis der uns von weiter hinten entgegenkommende Wagen da ist sind wir schon lange an dem Hindernis vorbei, dann beschleunigt der Entgegenkommer nach dem Gewahren unseres Vorhabens mal eben kurz und kräftig. Und wenn er nah genug an uns herangekommen ist und wir schon halb an dem "Blockierer" vorbei gekommen sind, dann hupt er. Und im Innenraum seines Gefährts pupt er manchmal noch dazu.
Öffnen wir an einer stark befahrenen Straße zum aussteigen nur leicht die Fahrertür, so ist unser im Rückspiegel zuvor noch als ausreichend entfernt vermutete "Nachfolger" ebenfalls in Windeseile herangesaust und hupt. Das dann spätestens, wenn wir die Tür schon halb offen haben. Oder sogar  schon halb ausgestiegen sind.
Aber auch als FußgängerIn ist man vor Rumhupern nicht gefeit. Man steht zwecks Fahrbahnüberquerung so still vor sich hin, um zwecks beabsichtigter hurtiger Überquerung eine groß genug geratene Lücke zwischen den auf beiden Fahrbahnhälften dicht hintereinander klebenden Fahrzeugen zu erspähen und selbige umgehend auszunutzen. Bietet sich so eine Lücke dann tatsächlich an kann man gar nicht so schnell gucken, wie der eben noch weit genug entfernte vermeinte Mit-Verkehrsteilnehmer da ist: Passant auf der Fahrbahn erblickt, kraftvoll auf die Tube gedrückt - und dann gehupt. Dieses sehr gern gerade auch dann, wenn der Straßenüberquerer das gegenüberliegende Ziel bereits fast erreicht hat. Aber eben nur fast...
Ist diese Extrabeschleunigung in den vorgenannten Fällen nun einfach nur Bosheit? Oder schlicht Dummheit? Oder möchte so ein Zeitgenosse einfach nur die günstige Gelegenheit nutzen, um mal wieder die ordnungsgemäße Funktionstüchtigkeit seiner Hupe einschließlich korrekter Lautstärke überprüfen zu können?

Der Rumhuper ist weder auf eine bestimmte Altersgruppe noch auf ein bestimmtes Geschlecht zu reduzieren. Das rumhupen ist sozusagen alters- und geschlechterübergreifend.
Erst vorgestern wurde der Schreiber dieser Zeilen selbst angehupt. Allerdings nicht an jener ominösen Kreuzung, denn die kennt er als Einheimischer ja zur Genüge.
Mit einem mir kurzzeitig leihweise überlassenen Pkw wollte ich auf der örtlichen "Einkaufsstraße" rückwärts aus einer Parklücke auf die Fahrbahn zurücksetzen (Schrägaufstellung an Straße mit leichter Steigung). Rechts neben mir stand ein Transporter, der mir die Sicht auf die auf "meiner" Seite von rechts unten her nahenden Fahrzeuge verdeckte. Also gaaanz langsam Stückchen für Stückchen zurück gerollt, wie sich das gehört. Als "mein" Heck gerade so ein paar wenige Zentimeter hinter dem des Transporters vorragte konnte ich es laut und deutlich hören - das eindeutig mir geltende Geräusch, das von einer herzhaft-kraftvoll gedrückten Autohupe ausgeht! Bruchteile von Sekunden später rauschte auch schon die Verursacherin dieses Geräuschs denkbar knapp hinter mir bzw. dem Pkw-Heck durch - mit dabei noch immer eisern festgehaltener Hupe, versteht sich: Eine mit vermutlich wie gewohnt wenig Zeit ausgestattete, bei Blick in den Rückspiegel geschätzt in den Mittdreißigern befindliche, Verkehrsteilnehmerin. Nun könnte man annehmen, die gute Frau hätte vielleicht die Wahrscheinlichkeit, dass aus der Parklücke hinter dem Transporter- plötzlich und eventuell noch ein weiteres Kfz-Heck in Erscheinung treten könnte, mit ins Auge fassen können. Da sie jedoch auf dieser als 10km/h-Zone ausgewiesenen Fahrbahn deutlich schneller als mit der erlaubten Geschwindigkeit unterwegs war (schätzungsweise um die 50km/h), kann man sich so eine verwegene Annahme eh schenken. Von der Möglichkeit des kurz haltens und mich rauslassens reden wir besser gar nicht erst.
Ob diese Dame beim hupen zusätzlich verbal rumgepupt hat konnte ich wegen der Schnelle des Augenblicks vom Rückspiegel aus betrachtet aber nicht erkennen.

Wie wir an diesen Beispielen gesehen haben neigt der rechtsbewusste Deutsch-Mensch gerade im Straßenverkehr zu teils recht waghalsigen und fast schon actionfilmreifen Manövern, um sein "kleines" Recht durchzusetzen.
Und wenn das rumpupen hierzu allein nicht ausreicht, dann wird eben zusätzlich noch gehupt - oder umgekehrt...


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